Interview: Anita Steinwidder
In dieser Woche begleiten wir die Künstlerin Anita Steinwidder, die in ihrer Arbeit Kunst, Architektur und Design verbindet.
2002 gründete sie ihr international beachtetes Modelabel und konzentrierte sich damit 15 Jahre lang auf die konzeptionelle Neugestaltung von Textilabfällen und Second-Hand-Kleidung. Nun schafft STEINWIDDER dreidimensionale Kunstwerke, die die Fortführung ihrer künstlerischen Sprache zeigen.
09
Mai
2022
Mein Name ist Anita Steinwidder, ich bin bildende Künstlerin und lebe und arbeite in Wien.
Mein beruflicher Weg führte mich nach dem Studium der Architektur in Graz im Jahr 2000 nach Wien, wo ich drei Jahre lang die Marketingleitung einer Architektur-Software-Firma übernahm. 2003 habe ich mich als „Mode-Autodidaktin“ mit meinem Label STEINWIDDER selbstständig gemacht und mich 15 Jahre intensiv mit der Nutzung bestehender textiler Ressourcen, Textilmüll, Zero Waste und nachhaltiger Mode beschäftigt. Die „Spezialität“ meiner Arbeit lag und liegt wohl auch noch heute an meinem unkonventionellen Zugang. Als Modedesignerin, habe ich alle meine Kollektionen aus weggeworfenen Textilien - genauer gesagt - ganze Kollektionen aus jeweils einem Kleidungstyp, wie zum Beispiel Socken, gefertigt.
Dabei lag mein Hauptaugenmerk auf dem Schaffen von reliefartigen, graphischen Oberflächen und der Abstraktion des Ausgangsmaterials. Tragespuren und Abnützungen habe ich zusätzlich als graphische Elemente eingesetzt. Um die Verkaufbarkeit zu gewährleisten wurden alle Designs zwar in Schnitttypen unterteilt, aber ohne Zuhilfenahme von Schnittzeichnungen unmittelbar dreidimensional an der Puppe oder frei geformt und danach das ganze Kleidungsstück mit einem kleinen Mitarbeiterteam in meiner eigenen Minimanufaktur zusammengenäht. Die Auseinandersetzung mit Mode führte zu Beteiligungen an Ausstellungen, Messen, Modeschauen und Projekten in Peking, Shanghai, Havanna, Colombo, London, Paris, Berlin und natürlich auch in Österreich. Der konzeptionelle Umgang mit Fundgegenständen textiler oder auch anderer Art und die Achtsamkeit in der Verarbeitung selbiger, findet sich - wie ich denke - auch in meiner Kunst wieder.
Überhaupt finde ich, dass meine Herangehensweise und Ästhetik sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit zieht und auch in jeder meiner künstlerischen Arbeiten wiedererkennbar ist. In der bildenden Kunst kann ich das was ich bin, gesellschaftlich soziale und politisch relevante Themen, die mich beschäftigen, konzeptionell noch besser ausdrücken, als es mir über das Medium „Bekleidung“ gelungen ist. Aber die Liebe zum Textil, zu textilen Verarbeitungstechniken und zur „Arbeit mit den Händen“ ist geblieben.
Mir fällt jetzt kein passender Songtitel ein, aber wäre die Straße mein Catwalk, wäre der Soundtrack wohl eine Reggae Nummer. Ich habe keine persönliche Stilikone, aber als ich noch Mode machte, haben mich Designer wie Rick Owens, Vivienne Westwood oder Martin Margiela stark beeindruckt.
Das letzte Buch das ich durchackert habe und das mir für meine Arbeit sehr viel Input gegeben hat ist Louise Bourgeois Destruction of the Father – Reconstruction of the Father (Schriften und Interviews 1923-2000).
Eine lange Wanderung mit dem Hund, zum Beispiel auf der Donauinsel, ein Bier und Zigaretten im Gepäck, Sonnenschein und Ruhe entspannen mich und lassen mich Kraft tanken.
Ich kann mich sehr gut über mich selber amüsieren. Darüberhinaus liebe ich Humor auch bei anderen Menschen.
Eine Lebensweisheit, an die ich mich halte: Vergiss nie woher du kommst und was dich zu dem gemacht hat was du jetzt bist.
Wenn ich ein Tier wäre, dann wohl ein Löwe. Es ist mein Sternzeichen und ich finde es passt auch zu mir. Ich bin eigentlich gelassen, aber wenn mich etwas aufregt, „brülle“ ich laut! Ich bin eigentlich Frühaufsteherin und ich habe seit sieben Jahren jeden Morgen das gleiche Ritual: Ich stehe auf und gehe mit meinem Hund eine Stunde spazieren. Dabei werde ich langsam wach und bereite mich auf den Tag vor.
Ich empfinde meine Arbeit nicht als Arbeit, sondern als Auseinandersetzung mit mir selbst und mit Themen, die mich interessieren. Auch wenn die Dinge, die ich mache oft handwerklich und körperlich anstrengend sind, empfinde ich es als Luxus mit dem was ich bin und von mir hergebe, Geld verdienen zu können. Eigentlich gibt es daran nichts, was ich nicht liebe.
Mein liebster Zeitvertreib ist, mit dem Hund durch das Grätzel zu spazieren, täglich etwas Neues zu entdecken und dabei Dinge zu finden, die ich gar nicht explizit suche. Auf die Frage nach der Zukunft, hätte ich vor drei Jahren eine Antwort geben können. Heute würde ich sagen: Die Zukunft ist unklar.
Fotocredits: Anita Steinwidder, Martin Willibald Meisl, Ammann Verlag, Klaus Fritsch
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